„Ich sehe nur noch ganz verschwommen“, beschreibt Franziska Sargsyan ihre Sehverschlechterung. „Für kurze Zeit ist manchmal alles wieder scharf.“ Die 14-Jährige leidet am Grauen Star, eine bei Kindern sehr ungewöhnliche und seltene Erkrankung. Denn normalerweise ist die Katarakt – wie der Graue Star medizinisch genannt wird – ein typisches Phänomen des Alters und hängt mit dem verlangsamten Stoffwechsel zusammen.
Bei Babys, die mit einer Katarakt zur Welt kommen, hatte die Mutter möglicherweise Röteln während der Schwangerschaft, oder es gibt eine familiäre Vererbung der Krankheit. In seltenen Fällen – wie bei Franziska und ihren Geschwistern – ist eine Galaktosämie, eine vererbbare Stoffwechselerkrankung, die Ursache.
Festgestellt wird die Katarakt bei den Vorsorgeuntersuchungen, manchmal bemerken auch die Eltern selbst einen weißlichen Punkt im Auge ihres Kindes. Schrecken und Sorge sind meist die ersten Reaktionen auf die Diagnose, die Eltern fühlen das wertvolle Augenlicht ihres Kindes gefährdet.
Unbehandelt kann der Graue Star auch wirklich zur Erblindung führen, „aber die Behandlungsmöglichkeiten und Operationsmethoden sind heute so differenziert und ausgereift“, beruhigt der Kölner Augenarzt und Augenchirurg Professor Philipp Jacobi, „dass selbst Neugeborene gut therapiert werden können.“ Nicht jede Katarakt müsse sofort operiert werden, sagt er. Wichtig ist allerdings, die Kinder intensiv zu untersuchen und regelmäßig zu beobachten.
Weil das Augenwachstum erst mit dem zweiten Lebensjahr abgeschlossen ist, wird Säuglingen zwar die erkrankte Linse entfernt. Mit dem Einsetzen der künstlichen Linse warten die Ärzte aber bis zum Alter von zwei Jahren. „In der Zwischenzeit müssen Kontaktlinsen getragen werden, das hört sich schlimmer an als es ist“, weiß Professor Jacobi aus seiner langjährigen Operationserfahrung mit kleinen Katarakt-Patienten.
Franziska liegt inzwischen recht gelassen auf dem OP-Tisch. Vorbereitende Augentropfen haben ihre Pupillen stark erweitert, so bekommt der Chirurg ein größtmögliches Operationsfeld. Die Augenumgebung ist mit brauner Jodtinktur desinfiziert worden. Wie ein Pandabärchen schaut sie brav in die OP-Lampe, während Anästhesistin Petra Koch ihr langsam ein Narkotikum spritzt. „Kinder werden in leichten Schlaf versetzt“, erklärt sie, „dann ist alles für sie weniger aufregend.“
Auf Jacobis Frage „Schläfst du schon?“ kommt keine Antwort mehr, Franziskas Gesichtchen ist hinter blauem Abdecktuch verschwunden, nur das Auge bleibt sichtbar, von Klammern weit aufgehalten. Mit geübten Griffen platziert Jacobi die Kunstlinse aus Plexiglas in dem Injektor. An der Uniklinik in Köln war er vor zwölf Jahren weltweit einer der ersten Augenchirurgen, der bei Kindern eine multifokale Intraokularlinse einsetzte. Im Gegensatz zur Monofokallinse kann diese Gleitsichtlinse auch noch Fehlsichtigkeiten ausgleichen.
Mit einem winzigen Schnitt von etwa zwei Millimetern Größe öffnet Jacobi den Augapfel, führt ein Mini-Lasergerät unter der Hornhaut durch und beginnt die getrübte Linse zu zerstäuben. „Wasser“, verlangt er einen kurzen Sprühnebel auf das OP-Feld. Ein paar Minuten später ist es soweit: Über ein millimeterfeines Röhrchen wird die alte Linse abgesaugt. Nun schiebt Jacobi den Injektor durch die Schnittöffnung und bringt die neue Linse an ihren Platz. Hauchfeine Bügelchen sorgen dafür, dass sich das „Ersatzteil“ in der Linsenkapsel zentriert und fixiert.
Zehn Minuten nach dem ersten Stich in den Augapfel verschließt Operateur Jacobi die Wundränder mit einem Laser und lobt seine kleine Patientin, die schon wieder zu sich kommt. Wieder ein paar Minuten später sitzt sie bereits vor dem OP im Ruhesessel, mit einem dicken Verband über dem Auge und wartet auf ihre Familie.